Da steht jemand vor Ihnen, ein Messer in der Hand, und sagt: Geld her oder Leben.
Handelt es sich hier um eine Notwehrsituation?
Wahrscheinlich würde Ihnen kein Richter der Welt verübeln, wenn Sie dies als Notwehrsituation werten. Denn auch wenn Sie das Geld hergeben: Auf das Wort eines Menschen, der Sie vor diese Wahl stellt, kann man nicht viel geben. Vielleicht verlieren Sie mit dem Geld gleich auch Ihr Leben. So selten passiert das nicht.
Dennoch: Ist dies eine Notwehrsituation?
Das ist eine Frage, die so nicht zu beantworten ist.
Eine Notwehrsituation definiert sich nicht durch die Werkzeuge, die mit im Spiel sind, sondern durch die Intention des Täters.
Hat der Täter die Absicht, Sie schwer zu verletzen, zu vergewaltigen oder zu töten?
Wenn ja, dann ist es eine Notwehrsituation. *
Wenn nein, dann nicht.
Wäre das Messer allein ausreichend, um die Situation zu definieren, dann gäbe es des Abends in jedem Restaurant viele Notwehrsituationen, denn an jedem Tisch sitzen Menschen, ein Messer in der Hand.
Vielleicht ist die hier beschriebene Situation auch bloß eine sehr verunglückte, etwas bizarre Form von Kommunikation, weil einer sich in seiner Hilflosigkeit nicht anders auszudrücken weiß.
Wenn der Täter hier soeben schon einen anderen Menschen erstochen hat, dann allerdings ist die Intention klar. Dann ist es eindeutig eine Notwehrsituation.
Ohne einen solchen Nachweis aber weiß man es nicht sicher.
(Am Sonntagabend, beim Tatort, da kennt der Zuschauer oft schon die Intention des Täters, lang bevor das Opfer etwas ahnt. Das macht es dann so spannend.)
Im Notwehrseminar geht es nur und ausschließlich um Notwehrsituationen.
Das ist der vereinbarte Rahmen.
* Auch wenn das deutsche Recht es zulässt: Angriffe auf Besitz und Ehre werte ich nicht als Notwehrsituationen. In einer Kultur der Würde, in der ich gerne lebe, lässt man Angriffe auf die Ehre unbeantwortet. Und Dinge sind bloß Dinge. Not to die for.
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Die oft verborgene Intention
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